Wie blöd ist Suicide Squad?

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Eine Flop 8 der Verfehlungen von Suicide Squad.

Eigentlich ist dieses kleine Stückchen Internet meine lauschige Insel der Positivität in einem Meer zynischer Internet-Kritiker. Ich schreibe hier über Dinge, die ich mag, um sie für mich genauer zu betrachten und anderen Menschen näher zu bringen. Dabei nehme ich auch gern mal Comic-Filme auseinander, die von Fans und Presse heftig umstritten wurden. Ich war vollständig bereit, mich auf Suicide Squad einzulassen. Leider entpuppte sich der Streifen relativ rasch als der unter Kritikern beschriebene Müllbrand. Ich denke aber, dass wir einiges aus den Fehlern von Suicide Squad lernen können. Hier also meine ganz persönliche Top-8-Liste:

 

1. Editing

Das vielleicht größte Problem der Selbstmord-Bande ist der Schnitt. Der Abspann listet nicht weniger als acht(!) Editoren. Grund dafür sind die in Presse und unter Fans heftig diskutierten Reshoots, welche noch vor wenigen Monaten angeordnet wurden. Offensichtlich waren sich die Produzenten bis zum Schluss nicht einig, ob sie Guardians of the Galaxy, Deadpool oder was ganz eigenes machen wollten. Dem fertigen Film ist deutlich anzumerken, dass am Ende eine Menge Material übrig war: Der erste Akt ist mit einer holprigen Aneinanderreihung von Rückblenden überfrachtet, die uns komplett ohne jeden Hauch von Spannung die Origin Stories unseres Teams im Kino-Äquivalent einer Powerpoint-Präsentation in die Augen würgt. Wenn man der Gerüchteküche glauben mag, landete ein Großteil von Jared Letos Joker-Szenen im Papierkorb. Die wenigen Szenen, in denen er auftaucht (vor allem die Intro-Sequenz für Harley, achtet da mal drauf) wurden offensichtlich von einem Cutter mit hartem Zeitlimit und Schluckauf zusammengebastelt. Was nicht unbedingt schlecht ist, da…

 

2. Der Joker

Die öffentliche Reaktion auf das Casting von Teenie-Schwarm Heath Ledger als der Clown Prince of Crime war seinerzeit – schwierig. Und doch ziert Nolans Joker noch heute die Shirts und Desktops vieler hipper Kids, die irgendwie gefährlich wirken wollen. Mit diesem Vermächtnis hat Ledger auch übergroße Clownsschuhe hinterlassen, die es nun für (ebenfalls Teenie-Schwarm) Jared Leto zu füllen gilt. Allerdings scheint sich das gesamte Produktionsteam für dessen Performance zu schämen, er ist nämlich keine 10 Minuten zu sehen. Leider geht damit auch die Charakterisierung von Harley Quinn flöten: Die dysfunktionale Beziehung des Duos ist kaum nachzuvollziehen. Hinter den Kulissen wurden Szenen aufgenommen, in denen der Joker Harley ohrfeigt oder aus einem Helikopter stößt. Im fertigen Produkt ist davon nichts mehr zu sehen: Vielleicht sorgt man sich, beim Publikum anzuecken? Aber auch in seinen wenigen übrigen Szenen wirkt dieser Joker eher wie ein exzentrischer Schulrüpel, der viel zu viel Energie auf sein gewollt bedrohliches Auftreten verschwendet, statt tatsächlich irgendwas gefährliches zu tun.

 

3. Zu viele Freunde

Ich verstehe schon: Ihr wollt ein cooles, verschrobenes Team aus vielen vermarktbaren Actionfiguren. Ihr habt aber nicht den zeitlichen Vorlauf des Avengers-Franchise, in dem jeder einen Film für seine Origin Story bekommt. In eurem ohnehin schon stark zusammengeschnittenen Film bleibt kaum noch Zeit, all diesen Figuren eine richtige Persönlichkeit oder einen Platz in der Welt zu geben. Jedes Mal, wenn jemand anderes als Deadshot oder Harley etwas zu sagen hat, zählt diese Dialogzeile merklich gegen ein stark begrenztes Limit. Die Konsequenz: Alle anderen werden zu Pappaufstellern, die manchmal hart an der Grenze zu rassistischen Stereotypen schrammen. Das macht es dem Publikum nicht wirklich leicht, mitzufiebern. Noch schlimmer: Das Skript sucht sehr merklich händeringend nach Ausreden, jeder Figur eine Daseinsberechtigung zu geben. Gegen Ende gibt es eine Sequenz, in der Killer Croc praktisch in die Kamera schaut, um dem Publikum mitzuteilen: „Seht ihr? Wir müssen durch die Kanalisation. Ich bin nützlich!“.

 

4. … und Slipknot

Schon im Frühjahr war ein Mitglied des Squads bereits auf verdächtige Weise im Werbematerial abwesend. Der Grund dafür war für jeden offensichtlich, der sich die Zeit für eine wörtliche Übersetzung des Filmtitels nahm. Ich war aber komplett von den Socken, wie ungeschickt der fertige Film den Tod von Slipknot telegraphiert: Während jedes Squad-Mitglied eine Titelkarte und zumindest ein kurzes Video-Dossier bekommt, wird Slipknot NACH der Versammlung des Teams aus einem Truck gezogen und mit den Worten „This is Slipknot. He can climb anything.“ auf den Hof geschubst. Daraus folgt eine absolut überflüssige Szene, da ein Achtjähriger das genaue Schicksal dieses Charakters vorhersagen kann und die entsprechende Sequenz damit keinerlei Wirkung oder Existenzgrundlage mehr hat.

 

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5. Plot

Schlauerweise hat uns das Werbematerial auch den Gegenspieler des Films verschwiegen, da seine Identität mein größtes Problem mit der Handlung darstellt: Hier wird ein hochgefährliches Team zusammengestellt, bevor eine konkrete Bedrohung besteht. Die ganze Idee hinter dem Squad ist, dass es sich um eine verzweifelte Maßnahme handelt: Im Endeffekt bietet diese Gruppe aber nichts, was eine ausreichend große Armee oder Bombe nicht auch erledigen könnte. Der eine Rekrut, für den dies nicht gilt, ist dann auch der Grund für die Aktivierung der Einheit. Dieser Umstand lässt sowohl Amanda Waller als auch die Autoren reichlich dämlich aussehen. Das Hinterzimmer eines Comic-Ladens hätte eine bessere Story produzieren können: Die Regierung will mit dem Squad einen Raub/Angriff/Anschlag außerhalb ihrer legalen Reichweite ausüben, von dem sie sich im Zweifel völlig distanzieren kann. Der Joker und Batman bekommen Wind davon und übernehmen die Rollen der Gegenspieler. Zack fertig, besserer Plot.

 

6. Action

Der Antagonist ist dann auch noch die langweiligste Art von Bösewicht: Der magische, weltzerstörende Superschurke mit einem endlosen Vorrat leicht besiegbarer Schergen. Das resultiert in einer Reihe von überlangen und öden Action-Szenen, in denen sich unsere liebenswerten Schurken durch Horden von austauschbaren Fieslingen prügeln, von denen zu keinem Zeitpunkt irgendeine Gefahr ausgeht (Ihr wisst schon, damit jeder mal nen coolen Angriff machen darf). Im Finale stellen sie sich dann dem Endboss, der wie ein Vollidiot all seine übermächtigen Tricks vergessen muss, um im Messerkampf von den Protagonisten besiegt werden zu können. Das ist für ein Videospiel gerade so noch akzeptabel, im Kino fühlt es sich aber so an, als würde man ab dem zweiten Akt nur noch die erforderliche Laufzeit absitzen. Dann sind diese Kampfszenen auch noch viel zu schlecht beleuchtet und ideenlos inszeniert. Von den lebhaften Farben des Promo-Materials ist keine Spur. Da hat man mal die Gelegenheit, ein visuelles Feuerwerk zu entfesseln, landet aber immer nur in schwarzen Korridoren. Der apokalyptische Maßstab der Bedrohung stellt zusätzlich die unangenehme Frage, warum sich nicht Batman oder der Flash darum kümmern. Oder zumindest, warum jemand eine Cheerleaderin mit Baseballschläger oder einen Scherzkeks mit Bumerangs für diese Mission rekrutiert hat.

 

7. Show, don’t tell

Während viel Material geschnitten wurde, blieb uns völlig redundanter Blödsinn aus irgendeinem Grund erhalten. Vor dem Finale des Films spricht Katana in dem für sie designierten Charaktermoment mit ihrem Schwert: Sollte sie in dieser Schlacht fallen, wäre sie danach für immer mit der darin gefangenen Seele ihres Liebsten vereint. Die Kamera wandert hinüber zu Rick Flag, der dem Rest der Runde erklärt: Sie spricht mit der Seele ihres Mannes. Die ist in dem Schwert drin gefangen. Sie hofft, im Tod mit ihm vereint zu werden. Ihr wisst schon, für die Zuschauer, die gerade auf ihrem Handy die verbleibende Zeit gecheckt oder besonders laut gepupst haben. Geradezu beleidigend wird es aber, als das Squad erfährt, dass ihr Anführer für ihre beschissene Lage verantwortlich ist: Daraufhin nimmt dieser sich nämlich die Zeit, dem Rest des Teams und damit auch dem Publikum eine ausführliche, minutenlange Rückblende auf Ereignisse und Filmmaterial zu geben, welches wir vor gerade mal einer Stunde selbst gesehen haben. Ihr wisst schon, für die Zuschauer, die mal aufs Klo mussten oder eine Raucherpause eingelegt haben. Völlig unverzeihlich ist jedoch, dass Deadshot und Harley jeweils mehrmals betonen, dass sie die Bösen sind: Wir sehen aber niemals irgendein Mitglied des Teams einen wirklich moralisch verwerflichen Akt ausüben. Könnte ja ein fragwürdiges Licht auf diese Figuren werfen. Argh!

 

8. Soundtrack

In vielleicht der deutlichsten Anbiederung an das Guardians of the Galaxy-Publikum erinnert der Soundtrack an einen Fetenhits-Sampler. Während uns der Film mit den Raumschiffen drin dafür eine nette Erklärung gegeben hat, die Songs die Hauptfigur wesentlich charakterisiert haben und sorgfältig auf das visuelle Spektakel abgestimmt waren, werden hier die offensichtlichsten und überstrapazierteseten Songs über Szenen gelegt, die in ihrer Kürze offensichtlich nie als Musikvideos angelegt waren. Und ich meine *wirklich* offensichtlich: Die Einführung in den Superknast von Belle Reve wird mit ‚House of the Rising Sun‘ untermalt, Amanda Waller tritt ganz subtil mit ‚Sympathy for the Devil‘ auf, AC/DC werden missbraucht, die musikalischen Klischees ‚Seven Nation Army‘ und ‚Fortunate Son‘ passieren, Eminem muss ‚Without Me‘ über die Suit-Up-Sequenz des Teams rappen, ‚Spirit in the Sky‘ wird schlichtweg aus Starlords Mixtape geklaut – und zum krönenden Abschluss wird auch noch ‚Bohemian Rhapsody‘ öffentlich hingerichtet. Helene Fischer arbeitet mit mehr kreativer Inspiration. Und weil diese Szenen nicht um die Songs herum gebaut wurden, hören wir immer nur die ersten 30 Sekunden, bevor wir zum nächsten Titel skippen. Das klingt nach einem Radio-Jockey mit ADHS und muss eine lächerliche Summe gekostet haben.

 


Ist Suicide Squad komplett ohne Vorzüge? Nö. Die Besetzung des Squads ist bombe. Will Smith liefert seine beste Performance seit langem ab und hat sichtlich Spaß, ebenso Margot Robbie. Kostümdesign ist toll. Wenn du den Film mochtest, freue ich mich für dich und will dir das auf keinen Fall nehmen. Ich für meinen Teil denke aber auch, dass wir besseres verdient haben. Die Moral der Geschichte: Das ganze Comic-Ding ist jetzt so groß, dass ein Superteam aus Produzenten und Marketing-Experten so lange an guten Ideen rüttelt, bis diese in tausend kleine Scherben zerspringen.

17 Gedanken zu “Wie blöd ist Suicide Squad?

  1. Absolut richtig: Ziemlicher Schund.
    Allerdings haben mir der Joker und seine (wenn nur angedeutete, fragmentarische) Liebesbeziehung zu Harley gut gefallen, die Schauspieler hatten eine nette Chemie. Zudem hatten die Szenen mit dem Joker noch am ehesten das, was im Trailer rüberkam, also schratigen Neon-Look.
    Will Smith hingegen ging mir als obercooler, aber doch konservativer Macho hingegen ziemlich auf den Keks. Erst einen auf Macker machen und dann in einer hypergenerischen Tochterstory alles wieder fein revidieren, damit sein Image auch ja schön Saubermann bleibt. Für mich zumindest vom Charakterdesign her ein wesentlicher Grund, warum das Antisuperheldenteam doch nur ein blasses Superheldenteam geworden ist. Allerdings ja: Seine Schauspielleistung war ordentlich. Die von Leto allerdings deutlich besser!
    Angenehm war auch die (wenn auch hier wieder nur angedeutete) fiese Kante, die Ayer den staatlichen Mächten gegeben hat, die hier mit Amanda Waller einen angenehm psychopathischen Charakter bekommen haben.

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  2. Wie ich dir ja schon persönlich schrob: ICH HAB’S DIR JA GESAGT!

    Ansonsten, wenn ich mich recht entsinne, ist die „aus-dem-Hubschrauber-schubs“-Szene drin, in diesem Fall aber auch (wie jede andere Handlung der Figur) ein Akt der Liebe. Und ja, in dem Fall ist das einfach mal doof!

    Ansonsten kann ich nur zum guten Auge gratulieren. Alles richtig, das gibt ein lachendes Gesicht ins Muttiheft gestempelt.

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  3. Sehr gut geschrieben. Ich hatte mir auch mehr von Suicide Squad erhofft, obwohl direkt nach dem Film eigentlich gar nicht so entäuscht war, wie am nächsten Tag. Als ich eine Nacht darüber geschlafen habe. https://viewlist.net/2016/08/22/suicide-squad/

    Warner Bros. sollte sich so langsam mal echt was einfallen, damit ihr Cinematic nicht bald zu lächerlich wird.
    https://viewlist.net/2016/08/23/meine-meinung-warner-bros-und-das-dc-universum/

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  4. Pingback: Suicide Squad – umblaetternd

  5. Super Kritik, Glückwunsch und vielen Dank dafür! Vielleicht an einigen Stellen ein bißchen fatalistisch, wie beim Soundtrack, da hast du zwar im Grunde Recht, aber den Vergleich mit Helene Fischer fand ich dann doch hart 😉
    Ich persönlich bin da bei Spurlis Kommentar: Im Kino war ich noch gut unterhalten, mit fortlaufendem Abstand sehe ich die einzelnen Fehler. Aber ich fand es immer noch besser als Batman vs Superman – zumindest hat mich dieser Film nicht direkt mit Enttäuschung aus dem Saal entlassen.

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  6. Ich war die ganze Zeit am Überlegen was genau mir bei dem Film nicht gefallen hat. Jetzt weiß ich es 😀 Danke schonmal dafür =)
    Ja der Film wirkte wirklich etwas stark zusammengeschnitten und auch der Plot war mir nicht ganz klar: Warum Superschurken zum Team zusammenstellen, wenn noch keine Bedrohung da ist. Da hätte man die Szenen dafür einfach vor der Zusammenstellung abspielen können.
    Die Beziehung zwischen Joker und Harley Quinn jedoch war für mich verständlich. Kann natürlich sein, dass ich sie aufgrund mangelnder Kenntnisse dass der Joker überhaupt eine Freundin hat, einfach komplett falsch interpretiert oder verstanden habe.
    Die Besetzung und die Idee fand ich auch klasse. Ist ein Film, den ich mir gern nochmal ansehe, der aber nicht unbedingt im DVD Regal landen muss.

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  7. Pingback: Suicide Squad – mercury's blog

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