Chaosdetektei von Max Landis.
Dirk Gently ist nicht nur die neueste Serie, über die dein Kumpel mit zu viel Zeit für Netflix nicht die Klappe halten kann, sondern auch eine Figur von Per Anhalter durch die Galaxis-Autor Douglas Adams. Dirk Gently war auch Held einer wenig erfolgreichen britischen TV-Adaption dieser Bücher. Jetzt ist Dirk Gently in Amerika unterwegs, produziert von BBC America und geschrieben von Max Landis. Inhaltlich haben seine Abenteuer nichts mehr mit der Vorlage zu tun, einzig die Hauptfigur blieb immer konstant: Dirk Gently ist holistischer Detektiv. Das Universum treibt ihn zur Lösung von Mysterien, die so schräg sind, dass kein vernünftiger Mensch die nötigen Zusammenhänge erkennen würde. Für Dirk Gently ist aber klar: Alles hängt irgendwie zusammen.
Wer angesichts von Titel und Beschreibung jede Folge einen neuen Fall erwartet, irrt. Die Serie beginnt mit einem wirklich abgedrehten Tatort und einer Reihe irrwitziger Ereignisse, die miteinander in Zusammenhang gebracht werden wollen. Da hier Energievampire, Zeitreisen und ein wirklich bedeutsamer Corgi auf dem Plan stehen, braucht auch der beste Detektiv einen Assistenten – in diesem Fall den Hotelpagen Elijah Wood, dessen gesamte Existenz auseinandergerissen wird, als er gemeinsam mit Dirk Gently die Machenschaften eines verrückten Erfinders, einen sonderbaren Kult und eine übermenschliche Serienkillerin überleben muss.
Böse Zungen könnten behaupten, dass diese Serie einfach nur die quirlig-charmanten Elemente aus Sherlock und Doctor Who zusammenwürfelt, um die damit vorprogrammierten Tumblr-Fangirls mit all den Gifs und Fanfictions und selbstbemalten Federmäppchen als Zielgruppe und kostenfreie Marketingagentur für sich zu gewinnen. Tatsächlich begann die Figur Dirk Gently ihr Leben als ein ungenutztes Skript für Doctor Who, welches Douglas Adams seinerzeit verfasste. Und auch wenn man als Freund dieser BBC-Produktionen den schalen Geschmack nach Abklatsch nur schwer loswird, siegt am Ende die schiere Energie der Charaktere, von denen einer spaßiger als der nächste ist. Diese komplett diagonale Welt wird bevölkert von strunzdummen Geheimagenten, durchgeknallten Mördern und exzentrischen Spinnern.
Von diesen Figuren ist der tituläre Dirk Gently überraschenderweise der langweiligste. Er ist dieses realitätsfremde Genie, das besser und schlauer als du ist, aber keinerlei Rücksicht auf deinen Erbsenverstand oder die Konsequenzen seines Handelns auf die Menschen um ihn herum nimmt. Das eine frische Element des Charakters ist dessen ‚holistische‘ Arbeitsethik, die die kosmische Verbundenheit von Allem als Grundlage und Ausrede für die skurrile Methodik des Detektivs annimmt. Meine Zweifel an Dirk lösen sich jedoch zum Ende der Staffel, als zunehmend klar wird, das auch er nur ein im Dunkeln tappender Beobachter ist.
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Der eigentliche Held der Geschichte ist nämlich Elijah Wood, der die perfekte Besetzung für einen normalen Durchschnittstypen ist, dessen Leben gegen seinen Willen von einem Agenten des Chaos auf den Kopf gestellt wird. Dabei ist es nicht nur sein Talent für überfordertes Stammeln oder hilflose Wut, sondern auch seine physische Präsenz, die uns mit dieser armen Sau sympathisieren lassen. Dieser Pechvogel muss dabei zusehen, wie ein Haufen dahergelaufener Obdachloser sein ganzes Leben zerlegt. Je tiefer es ihn in den Kaninchenbau hinabreißt, umso fertiger und näher an einem schlimmen Nervenzusammenbruch sieht er auch aus.
Und genau das ist auch der Knackpunkt, der Dirk Gently zu mehr als einer Kopie macht: Diese Personen sind nicht einfach nur verschroben, sondern auch auf sympathische Weise fehl-, verwund- und wandelbar. Zwischen dem Rätselraten und den Lachern steckt auch authentisches Herz, wenn kaputte Außenseiter mehr schlecht als recht den Sinn und ihren Platz in dieser chaotischen Welt suchen. Dabei entpuppen sich die Bösen auch mal als anständige Kerle, während die Guten für die Sünden ihrer Vergangenheit büßen müssen. In meiner persönlichen Lieblingsszene fragt ein Oberfiesling anstelle eines ‚Alles-nach-Plan‘-Monologs verzweifelt nach Antworten – für ihn sind die Ereignisse nämlich genau so bizarr wie für die Protagonisten. In jedem Fall nehmen all diese Einzelschicksale eine Reihe dramatischer Kehrtwendungen, die einen als Zuschauer ganz schön auf Trab halten und Lust auf mehr machen.
Zudem war es auch ein großer Spaß, die wirren Puzzleteile vieler kleiner Mysterien, die sich schlussendlich als ein Großes herausstellen, zusammenzusetzen. So scheinbar willkürlich die einzelnen Versatzstücke nämlich scheinen – alle Teile sind auf dem Tisch, sie sehen bloß eben manchmal nicht unbedingt wie Teile aus. Dass die Serie den Zuschauer dabei wie einen der verrückten Spinner darin denken lässt, ist durchaus Teil des Charmes.
Darum kann man diese Serie so auch getrost weiterempfehlen – nicht nur an die armen Seelen, die jahrelang auf neues Doctor Who- oder Sherlock-Material warten müssen. Wer einen Netflix-Account hat oder borgen kann, sollte sich zumindest mal die erste Folge geben – einfach nur, um vom Chaos der Ereignisse genauso entgeistert zu sein wie Elijah Wood.
Dirk Gently detektiert sich durch 8 Episoden auf Netflix.
Unterschreib ich GENAU so 🙂
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Eine wirklich tolle Serie – ich habe lange nicht mehr so viel gelacht =)
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Ich befürchte meine unendlich lange Watchlist ist gerade noch länger geworden…
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Danke für den Tipp. In zwei Tagen durchgeschaut, großes Showgeschäft! Selten etwas so bizarres und skurilles, teilweise brutales, aber dennoch irgendwie liebenswertes gesehen. (Ist es eigentlich Zufall, dass der Bösewicht so kauderwelscht wie Mr. Plinkett von redlettermedia.com?)
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Freut mich, dass du deinen Spaß hattest. Da Max Landis vor anderthalb Jahren mal auf ein Bier bei den Jungs von RedLetterMedia vorbeigeschneit ist und sich dort als Fan geoutet hat, glaube ich nicht an einen Zufall. 😉
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