Doctor Strange

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Arkaner Superhelden-Trip von Scott Derrickson.

Wisst ihr, was cool ist? Superhelden. Und was noch? Zauberer. Zauberer sind cool. Die Überschneidung in der Mitte dieses Diagramms macht Doctor Strange eigentlich automatisch zu einer der fetzigsten, wenn auch eher obskureren Figuren im Marvel-Katalog. Und während wir uns zu Beginn des Jahrzehnts noch gefragt haben, wie man eine Figur wie Thor an der Seite von Iron Man ernst nehmen kann, schämen sich Superhelden-Filme heute nicht mehr für die abgedrehte Kosmologie ihrer Comic-Vorlagen. Wenn man sich dann noch ein Weltklasse-Kaliber wie Benedict Cumberbatch für die Hauptrolle sichert, kann doch eigentlich nix mehr schief gehen.

Doctor Strange erzählt die Geschichte von Dr. Stephen Strange, der sich seit den 60ern als Sorcerer Supreme durch das Marvel-Universum zaubert. Seine Reise beginnt er jedoch als arroganter Neurochirurg, dessen Hybris ihm einen Unfall beschert, der ihn seine Feinmotorik und damit auch seinen Beruf kostet. Auf der Suche nach einem Heilmittel jenseits der konventionellen Medizin stößt er auf eine Geheimloge zauberkundiger Mönche, die ihn in den arkanen Künsten ausbilden. Schon bald zwingt ihn eine kosmische Bedrohung jedoch dazu, seine Prioritäten zu überdenken…

Wenn man Doctor Strange einen Strick basteln möchte, dann wäre es der Umstand, dass der oben beschriebene Plot in keiner Weise originell ist. Im Gegenteil ist es sogar ziemlich exakt die Handlung des ersten Iron Man-Films, fällt also auf ein bewährtes Schema zurück. Auch Stranges Widersacher sind in typischer Marvel-Tradition unterentwickelt und nicht besonders spannend (Ja, trotz eines taktisch eingesetzten Mads Mikkelsen). Trotzdem ist Doctor Strange der größte Spaß, den ich seit Jahren mit einem Superhelden-Film hatte.

Das liegt neben dem charismatischen Protagonisten (Benedict Cumberbatch vergoldet automatisch jede Leinwand) auch an dem großzügig aufgetragenen Humor, der mittlerweile das Alleinstellungsmerkmal des Hauses Marvel ist – da tauschen sympathische Nebenfiguren lustige Seitenhiebe aus, der Held scheitert unterhaltsam und der kosmische Maßstab des Zaubererkrieges wird durch den Kontrast mit den Alltäglichen geerdet und auf die Schippe genommen.

 

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Die größte Stärke dieses Films ist jedoch etwas, vor dem so ziemlich jeder Filmkritiker warnt – CGI. Die visuellen Effekte sind der Wahnsinn. Weil sie eben nicht als künstlicher Bombast, als laute Verstärkung langweiliger Action oder als faule Krücke zur Vereinfachung der Filmproduktion missbraucht werden. Der gute Doctor wandert durch Wahrnehmungsebenen, Dimensionen und die Zeit. Während der ohnehin schon toll choreographierten Action-Sequenzen formt sich die Realität um ihn herum neu, Naturgesetze werden umgeschrieben, Raum und Zeit verschoben.

Was von Inception (2010) oder Avatar (2009) nur versprochen und dann an halbgare Konzepte verschwendet wurde, wird hier konsequent auf die Spitze getrieben. Diese irrwitzigen Reisen bleiben trotz des Rausches an Eindrücken stets überschaubar und nachvollziehbar, weil die kreativen Ideen im Zentrum so clever sind. Die Magier-Duelle in diesem Film sind die wohl spaßigsten Action-Szenen des Jahrzehnts – und das in einem Jahr, in dem wir Batman gegen Superman und die Avengers gegeneinander haben kämpfen sehen.

Dieser Sinnessturm wurde bereits im Vorfeld als ‚trippy‘ und psychedelisch beschrieben – und während es wahr sein mag, dass dieser Film auf bewusstseinserweiternden Mittelchen entweder der helle Wahnsinn oder die Hölle ist, sind die Bilder von Doctor Strange in einer Zeit, in der Maschinen und Programme jede nur erdenkliche Idee auf die Leinwand zaubern können, vor allem eines: frisch.

Auch wenn dieser Film erzählerisch das Rad nicht neu erfinden mag, sind die kreativen und visuell eindrücklich umgesetzten Konzepte im Herzen von Doctor Strange Grund genug, sich mal wieder eine Kinokarte zu kaufen. Und wenn das nicht für dich ausreicht: Der Typ ist Superheld UND Zauberer. Wer das nicht cool findet, muss Spaß hassen.

10 Gedanken zu “Doctor Strange

  1. Stimme dir in allem zu, ein großartiger Kino-Spaß!

    Weitere oberflächliche Großartigkeiten waren für mich: das Glitter-&-Glam-Corpsepaint der Bösewichter, Tilda Swinton mit Glatze, die sie unerwartet gut tragen kann, und Dr Stranges Fähigkeit, sich mit zertrümmerten, zittrigen Händen einen solchen Bart zurechtzuformen. Spätestens daran merkt man, dass der Mann ein Zauberer erster Güte sein muss 😉

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  2. Pingback: Kritik: Doctor Strange – filmexe

  3. Die Zeit wird zeigen, wie gut sich Doctor Strange im Kinoversum halten kann. Ich meine ja, dass sich irgendwann Ernüchterung breit macht, wenn die erste Euphorie verflogen ist. Aber dass er leichte Unterhaltungskost bietet, das kann man dem Film nicht abstreiten.
    Aber mit einem Cumberbatch als Hauptdarsteller habe ich das auch schwer erwartet. Mei, was freue ich mich auf die neueste Sherlock-Staffel.

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